Dieses eindringliche Gedicht von Maya Angelou, verfasst 1995 anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Vereinten Nationen, ist auch fast 25 Jahre später ein Weckruf angesichts der kommenden Jahrzehnte, in denen die Klimakatastrophe große Umwälzungen mit sich bringen wird.
Das Bild oben zeigt die Erde als „Pale Blue Dot“ auf einem der letzten Fotos des Sonnensystems, das die Voyager 1 Sonde am 14. Februar 1990 aus 6 Milliarden Kilometer aufgenommen hat, bevor sie ihre Reise in die Tiefen des Weltraums fortsetzte.
EINE BEHERZTE UND AUFRÜTTELNDE WAHRHEIT
Wir, dieses Völkchen auf einem kleinen, einsamen Planeten
Auf der Reise durch einen teilnahmslosen Weltraum
Vorbei an fernen Sternen, den Weg gleichgültiger Sonnen kreuzend
Zu einem Ziel, an dem uns alle Zeichen bedeuten
Dass es möglich und unabdingbar ist,
Eine beherzte und aufrüttelnde Wahrheit anzunehmen
Und wenn wir sie annehmen
Am Tag des Friedenschließens
Wenn wir unsere Finger lösen
Aus den Fäusten der Feindschaft
Und die kühle Luft über unsere Handflächen streicht
Wenn wir sie annehmen
Wenn der Vorhang für die Gesänge des Hasses fällt
Und die von Verachtung verschmutzten Gesichter sauber geschrubbt sind
Wenn von den Schlachtfeldern und im Kolosseum
Unsere einzigartigen und besonderen Töchter und Söhne nicht länger
Zusammengerecht werden mit dem
zertrampelten und blutgetränkten Gras
Um in gleichförmigen Gruben in fernen Ländern zu liegen
Wenn der reißende Sturm auf die Kirchen
Der schreiende Aufruhr in den Tempeln versiegt
Wenn die Wimpel fröhlich flattern
Und die Fahnen der Welt wehen
Fest in der guten, kühlen Brise
Wenn wir sie annehmen
Wenn wir die Gewehre von den Schultern fallen lassen
Und die Kinder ihre Puppen in die Flaggen des Waffenstillstands kleiden
Wenn die Landminen des Todes weggeräumt sind
Und die Alten in die Abende des Friedens gehen können
Wenn religiöse Rituale nicht mehr
Vom Rauch brennender Leiber durchzogen sind
Und Kindheitsträume nicht mehr wachgetreten
Von den Albträumen des Missbrauchs
Wenn wir sie annehmen
Dann werden wir eingestehen, dass weder die Pyramiden
Mit ihren geheimnisvoll perfekt gesetzten Steinblöcken
Noch die Gärten von Babylon
Hängend in ewiger Schönheit
In unserem kollektiven Gedächtnis
Nicht der Grand Canyon
Getaucht in wundersame Farben
Von den westlichen Sonnenuntergängen
Noch die durch Europa fließenden Seele der blauen Donau
Noch der sich der Sonne
Entgegenstreckende heilige Berg Fuji
Weder Vater Amazonas noch Mutter Mississippi, die, ohne Bevorzugung
Alle Kreaturen in den Tiefen und an den Ufern nähren
Dass diese nicht die einzigen Wunder dieser Welt sind
Wenn wir sie annehmen
Wir, dieses Völkchen auf diesem winzigen Globus ohne Verwandtschaft
Die wir täglich nach der Bombe, dem Schwert und dem Messer greifen
Und trotzdem im Dunkeln um Zeichen des Frieden beten
Wir, dieses Völkchen auf diesem Staubkorn aus Materie
Aus dessen Mündern Wortgeschwüre wachsen
Die unsere eigene Existenz im Kern bedrohen
Und aus denselben Mündern dennoch
Lieder von so entzückender Lieblichkeit erklingen
Dass unsere Herzen stillstehen
Und unsere Körper in Ehrfurcht erstarren
Wir, dieses Völkchen auf diesem unbedeutenden, dahintreibenden Planeten
Dessen Hände so hemmungslos zuschlagen können
Dass in einem Augenblick ein Leben auslöschen
Und dieselben Hände dennoch mit solcher Heilkraft und Zärtlichkeit berühren
können
Dass sich der hochmütigste Kopf neigt
Und sich der stolzeste Rücken beugt
Aus diesem Chaos, aus diesen Widersprüchen
Erkennen wir, dass wir weder Teufel noch Engel sind
Wenn wir sie annehmen
Wir, dieses Völkchen auf diesem unberechenbaren, schwebenden Körper
Auf dieser und aus dieser Erde geboren
Haben wir die Macht, für diese Erde
Ein Klima zu schaffen, in dem jede Frau und jeder Mann
Frei leben kann ohne scheinheilige Frömmelei
Und ohne lähmende Furcht.
Wenn wir sie annehmen
Müssen wir eingestehen, dass wir das Mögliche sind
Wir das Wunder, das wahrhaftige Wunderwerk dieser Welt sind
Das ist wenn, und nur dann
Wir sie annehmen.